Das Eiderstedter Alphabet

 

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Deus mare, Friso litora fecit

(Gott schuf das Meer, der Friese schuf die Küste)

 

Diese Überheblichkeit birgt den Kern der Wahrheit in sich, dass das Bild der Küste sich durch das Einwirken des Menschen gewandelt hat.

 

Natürliche Küstenveränderung durch Sandverlagerungen

 

1. Nehrungen

Aus einem großen Geestkern nordwestlich der Küste von Eiderstedt bildeten sich auf natürliche Weise durch Sandverlagerungen die Nehrungen der Halbinsel Eiderstedt. Zuerst bildete sich die Zunge bei Tholendorf. Es folgte weiter südlich die Nehrung Brösum bis Garding, dann Wittendün und zuletzt Süderhöft. Auch heute bildet sich noch eine neue Dünenkette auf der Sandbank nach demselben Prinzip.

Auf diesen Nehrungen finden sich die ersten Hinweise auf menschliche Siedlungen: Urnen in Tholendorf, ein Schleifstein in Brösum, ein Ankerstein in Süderhöft und eine Fibel eines Wikingergewandes in Wittendün. Nur die Fibel kann eine Datierung auf 800 ermöglichen. Erst die Ausgrabungen auf der Bövergeest im Sommer 2011 bezeugen eine Besiedlung der Küste um 400 nach Christi Geburt. 1

 

2. Flachsiedlungen

Da der Meeresspiegel früher etwas tiefer als heute lag, siedelten die Menschen auch am Ufer der Eider. Nachweisbar sind die Flachsiedlungen Büttel, Tofting, Tönning, Elisenhof und Welt. Sie datieren aus der Zeit zwischen 200 und 400 n. Chr. Typisch ist ihr langsames Anwachsen durch Schichten aus Mist und Erde.

 

"Sie haben sich hoch-geschissen"

Das 5. und 6. Jahrhundert ist die Zeit der Völkerwanderung. In diesem Zeitraum verließen die Angeln und Sachsen ihre Wohngebiete und zogen nach Westen über die Nordsee vor allem nach England. Die Gründe für diese Auswanderung sind nicht sicher.

 

Veränderung der Küstenlandschaft durch den Menschen

 

1. Warften, Halligwarften, Warftenreihen. Marschhufendorf

Von den Nehrungen oder Flachsiedlungen zogen die Menschen in die tiefer liegenden Gebiete und siedelten nun auf künstlichen Hügeln, den Warften. Es entstehen Halligwarften wie in Westerhever z B. Stuffhusen, eine Reihe von Warften wie in der Südermarsch südlich von Garding und es entstehen Marschhufendörfer wie in Rüxbüll, Gunsbüttel oder Uelvesbüll.

 

Einzelwarft Wulfenbüll

Halligwarften

2. Veränderung der Küstenlinie durch den Deichbau

 

a) Privatdeiche

Der Deichbau begann wohl im 11. Jh. mit privater Wiesengewinnung. So kann man sich den kleinsten Koog, den Burkoog in der Süderhever vorstellen. 2  Das „Chronicon eiderostadense vulgare“ spricht nun vom Spadenland und meint damit die Insel Holm, die am leichtesten mit einem Ringdeich zu schützen war. Es waren anfangs einfache halbrunde Wälle, die immer wieder erhöht

wurden. 3

 

Abbild aus der Heidelberger Handschrift des Sachsenspiegels

b) Gemeinsame Bedeichung

Normalerweise einigte ein Dorf sich, das Vorland, das sie selber gepflegt hatten, einzudeichen. Jeder, der ein neues Stück Land erwerben wollte, musste auch ein entsprechendes Deichstück „anfassen“. Für diese Strecke war er zuständig und diese Strecke musste er mit seiner Mannschaft in Ordnung halten. Es galt: demat dematgleich.

1435 – nach dem Frieden zu Vordingborg - wurde der Herzog von Schleswig zuständig für die Utlande. Er befahl die Sietwenden zu bauen. Als es in Osterhever zu einem Streit zwischen den einzelnen Kirchspielen kam, musste er 1438 eingreifen. Man konnte sich nicht einigen, wie viel die Kirchspiele in der zweiten Reihe bezahlen oder mitarbeiten mussten, die durch den neuen davorliegenden Deich nun auch geschützt wurden. In diesem Streit starben 38 Deicharbeiter. 4  Der Deichbau wurde nun eine Angelegenheit der Obrigkeit.

c) Industrielle Bedeichung

Herzog Adolf hatte zusammen mit Caspar Hoyer in den Niederlanden gekämpft und dort die Tüchtigkeit der Holländer auf dem Gebiet der Deichbautechnik und der Milchwirtschaft kennengelernt. Er erkannte nun den Wert der eigenen Landschaft an der Westseite seines Landes und lud die Holländer ein, hier tätig zu werden. Nun wurde in großem Maße Deichbau begonnen, aber nicht mehr in der alten Weise der einzelnen Dörfer, sondern in industrieller Form, indem Fremdarbeiter angeheuert wurden und die Bewohner oder Interessenten am Land mit Geld bezahlen mussten. Der bekannteste Leiter dieser Deichbaumaßnahmen war der Holländer Johann Clausen Koot, der in Nordfriesland den Oekelnamen Rollwagen bekam, weil der die Schiebkarre einsetzte. Nicht nur der Deichbau, sondern auch die Hausformen (Haubarg), Sprache (Plattdeutsch), Trachten, Boßeln und vor allem die Milchwirtschaft machten aus Eiderstedt Klein Holland.

 

Eckener Bild

d) Oktroyierte Köge

Eine Sonderform der Deichgewinnung sind die Oktroyierten Köge. Sehr zum Ärger der Bewohner beanspruchte der Herzog das Vorland für sich, indem es hieß: Niemandsland ist Königsland. Dies Vorland gab er verdienten Freunden in seiner Umgebung mit dem Recht, es auf eigene Rechnung einzudeichen, aber auch 15 Jahre zu nutzen und erst dann gegen einen geringe Zahlung zu kaufen. Die Erbauer erhielten eine auctoritas = einen octroy ein Berechtigungsschreiben

Auf diese Weise sind der Norderfriedrichskoog, der Groothusenkoog und die Augustenköge gewonnen worden. Heute sind dies selbständige Gemeinden.

Der Wunsch nach Sicherheit und Nahrung hat unsre Landschaft gestaltet und aus einer Insellandschaft eine Koogslandschaft und eine Halbinsel gemacht. Eiderstedt hat heute ca. 8o Köge, die eine Deichlänge von ca. 500 km aufbringen.

 

1 Tummerscheid, A.

2 Vgl. Kühn, H.-J. und Panten,A. "Der frühe Deichbau in Nordfriesland" Bredstedt 1989 S.63

3 Ibidem S.40

4 Chronicon S.18